Salzkotten | An der Grenze der Leistungsfähigkeit

{gallery}news/2015/150325,single=PA-LOK-11-25.03.2015_faa10b267d_3e74cf31bcd12e09_a311e18352-1.jpg,scaption=Harter Tobak: Alfons Bunte, Leiter der Feuerwehr Salzkotten, hier neben der 30-Meter-Drehleiter, sprach Klartext zu den Politikern. Foto: RALPH MEYER,salign=left{/gallery}Wehrführer Alfons Bunte weiß nicht, die Feuerwehr verschärfte Anforderungen erfüllen soll

Salzkotten. Alfons Bunte,Leiter der Salzkottener Feuerwehr,macht sich Sorgen um die Zukunft, denn die Wehr ist an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeitangekommen.Bei der anstehenden Fortschreibung des Brandschutzbedarfsplans werden die Anforderungen an die Wehr noch mal verschärft:„Wie wir das einhalten sollen, weiß ich nicht“,sagte Bunte am Donnerstagabend vor dem Salzkottener Hauptausschuss.

Feuerwehren im ländlichen Raum haben mit mehreren Problemen zu kämpfen: Fehlende Arbeitsplätze im Dorf zwingen die Arbeitnehmer zum Auspendeln, und damit ist Zahl tagsüber verfügbarer Feuerwehrleute gering. Dazu kommen zum Teil weite Anfahrtswege,die viel Zeit kosten. Unterm Strich bedeutet dies, dass die Einsatzkräfte nicht immer so schnell an der Einsatzstelle sind,wie notwendig und wünschenswert sind, erläuterte Bunte den Politikern, die dazu ins Gerätehaus am Eichsfeld gekommen waren.
Bereits 2009 hatte der Rat als Schutzziel beschlossen, innerhalb von acht Minuten 10 Feuerwehrleute an die Einsatzstellen zu bringen. Diese Aufgabe sollte bei 75 Prozent aller Einsätze erfüllt werden. Innerhalb von zehn Minuten sollte der Erreichungsgraf zehn Minuten betragen.
Sechs weitere Feuerwehrleute sollten innerhalb von 13 Minuten an Ort und Stelle sein.Diese Vorgabe sollte zu 85 Prozent
erfüllt werden.
Bunte hat 56 zeitkritische Einsätze mit Menschen in Gefahr ausgewertet. Bei 80 Prozent der Einsätze war das erste Fahrzeug in acht, zu 93 Prozent in zehn Minuten an den Einsatzstellen. „Das ist schon eine sehr sportliche Anforderung“,so Bunte. Im neuen Bedarfsplan soll der Erreichungsgrad sogar bei 90 Prozent liegen.
Vor der Fahrt zu den Einsatzstellen müssen die Feuerwehrleute auch noch zum Gerätehaus kommen. Die Ausrückezeit liegt im schnitt bei drei bis vier Minuten, manchmal aber auch bei fünf uns mehr Minuten.„Wir sind zu langsam“,erklärte Bunte. nach fünf bis neun Minuten trifft das erste Fahrzeug in der Mehrzahl der Fälle am Ort des Geschehens ein.
„Das geht an die Leistungsfähigkeit der Feuerwehren“,sagte Bunte und bemängelte,dass die Hilfsfristen für die rein hauptamtlich besetzten Rettungsdienstfahrzeuge auf dem Lande 12 und 15 Minuten betragen dürfen.
Kritisch setzte sich der Wehrführer auch mit dem Einsatzspektrum auseinander. Unter 168 Einsätzen zwischen Anfang 2014 und März 2015 waren allein 21 Ölspuren und 13 Ölbeseitigungen nach Unfällen.
„Ob man für einen Liter Öl einen Feuerwehrmann von der Arbeit holen muss, sollte man mal politisch diskutieren“, erklärte
Bunte provokant und stellte die Frage, ob die Feuerwehr nicht missbraucht werde. Mächtig zugelegt hat auch die Unterstützung des Rettungsdienstes: 14 mal mussten Feuerwehrleute Tragehilfe leisten und in zehn Fällen Türen öffnen.
Von den 277 Feuerwehrleuten sind 49 tagsüber verfügbar.In Salzkotten sind 10, in Thüle 8, in Verlar 7 und in Verne 6 Feuerwehrleute innerhalb von fünf Minuten am Gerätehaus.Die rote Laterne tragen Oberntudorf und Scharmede mit je vier Einsatzkräften.
Den Zustand des Fahrzeugparks nannte Bunte mehr als zufriedenstellend, gleichwohl sind drei Fahrzeuge älter als 35 Jahre. Wärmebildkameras werden gerade flächendeckend eingeführt.Probleme bereitet in Salzkotten auch der Digitalfunk, der zurzeit erprobt wird. Ähnlich wie in Lichtenau gibt es auch in Salzkotten Probleme mit der Netzabdeckung in der Innenstadt und in Upsprunge, „Trotz dieser Macken ist die Digitaltechnik um Klassen besser als der Analogfunk“, fügte Bunte hinzu. Ende 2015 soll kreisweit der Echtzeitbetrieb aufgenommen werden.

Bildzeile: Harter Tobak: Alfons Bunte, Leiter der Feuerwehr Salzkotten, hier neben der 30-Meter-Drehleiter, sprach Klartext zu den Politikern. FOTO: RALPH MEYER

Die 25.000-Einwohner-Grenze bei den Feuerwehren

Die Zeiten für die Hilfsfristen sind nicht willkürlich gewählt, sondern orientieren sich am Modell des so genannten kritischen Wohnungsbrandes.
Danach liegt die Erträglichkeitsgrenze im Brandrauch bei 13, die Reanimationsgrenze,bei der wenigstens 50 Prozent der Opfer erfolgreich wiederbelebt werden können, bei 18 Minuten. In 18 bis 20 Minuten kommt es zur Durchzündung der Rauchgase, dem
so genannten Flash-over.
Das noch gültige Feuerschutz- und Hilfeleistungsgesetz des Landes sieht eigentlich bei Kommunen ab 25.000 Einwohnern die Einstellung von hauptamtlichen Kräften vor. Mit Ausnahmegenehmigungen können rein ehrenamtliche Wehren aber auch größere Kommunen,wie etwa die Nachbarstadt Delbrück, versorgen. „Ob wir alle Kriterien erfüllen können, wage ich aber zu bezweifeln“, sagte Bunte. Die Sälzerstadt hat zurzeit 24.900 Einwohner. (my)