17. Oktober. Delbrück Sudhagen.

Es war für alle Beteiligten ein sehr emotionaler Moment. 48 Jahre nach dem Absturz eines amerikanischen Transporthubschraubers auf einem Feld des Hofes Kenkenberg an der Rieger Straße im Delbrücker Stadtteil Sudhagen, bei dem 16 Soldaten ums Leben gekommen waren, setzten zum ersten Mal Angehörige ihren Fuß an die damalige Absturzstelle.

 

Sudhagen. Michael Waldbillig und seine Schwester Linda Stewart, die Kinder von Oberst Robert Waldbillig, dem ranghöchsten Offizier an Bord des Hubschraubers, begleitet von ihren Partnern Michelle und Henry, machten sich in Begleitung von Johannes Grothoff, dem Leiter der Delbrücker Feuerwehr, und Landwirt Heinrich Kenkenberg zu Fuß auf zur Absturzstelle. Wo heute Mais wächst, war seinerzeit eine grüne Wiese. Maiskolben von jenem Acker werden die Geschwister auch auf dem Rückweg in die Vereinigten Staaten begleiten. Mit dabei war auch der Westenholzer Meinolf Brökelmann, über dessen Berichte im Internet die Amerikaner die ersten handfesten Informationen über den Absturzort erhalten hatten.

Am 17. Oktober. Im Sudhagener Pfarrzentrum, trafen die amerikanischen Gäste auf jene Feuerwehrleute, die damals zu den ersten Helfern an der Absturzstelle gehörten. Nach einem gemeinsamen Mittagessen gaben dann auch Franz-Josef Hartmann, Konrad Melcher, Heiner Gausemeier, Ferdinand Brockmeier, Bernhard Börnemeier, Friedhelm Schmidt, Ludwig Heitmar und Johannes Lipsmeier Details jener schlimmen Stunden preis. Fotos und Zeitungsausschnitte machten unter den Gästen die Runde. Für die Übersetzung sorgte Johannes Grothoff. Brigitte Michaelis und Johannes Sandheinrich vom Heimatverein Sudhagen hatten ein gemeinsames Mittagessen und ein Kaffeetrinken vorbereitet. Die Schilderungen gaben Antwort auf viele Fragen, die Geschwister, die seit 48 Jahren ihren Vater vermissen, schon seit Jahrzehnten mit sich herumtragen. Und so zeigten sich der Autohändler aus Tucson (Arizona) und die pensionierte Bibliothekarin aus Atascadero (Kalifornien) tief bewegt von den Ereignissen dieses wahrhaft „schwarzen Freitags“.

Johannes Grothoff, seit 40 Jahren Feuerwehrmann, hatte als 14-Jähriger den abstürzenden Hubschrauber aus dem Fenster seiner Schule in Delbrück beobachtet. Ferdi Brockmeier sah die schwarze Rauchsäule und steuerte sofort mit dem dienstlichen Lastwagen zum Gerätehaus. Er dachte sofort einen Bauernhofbrand. Als er die Unglücksstelle erreichte, die oberhalb des Straßenniveaus lag, fragte er sich, was denn da wohl brennen würde. Franz-Josef-Hartmann, der spätere Delbrücker Wehrführer, war mit dem Wagen und Tochter Ingrid unterwegs, als die Sirene aufheulte. Auch er steuerte sofort das Gerätehaus an, vertraute die Tochter einer Verwandten an und ging in den Einsatz. Leider blieb der Tornister der Schülerin in Auto zurück, und so musste Ingrid Hartmann, die heutige Stadtkämmerin, am nächsten Tag ohne Hausaufgaben in die Schule gehen.

Am Ende des Tages wich bei den Angehörigen die Trauer von Jahrzehnten einem Gefühl der tiefen Dankbarbarkeit den Feuerwehrleuten gegenüber, die damals, ohne zu zögern in einen potenziell lebensgefährlichen Einsatz ausrückten. „Ihr seid unsere neuen Helden“, unterstrich Michael Waldbillig in seinen Dankesworten. Ferdi Brockmeier, der sich noch gut an explodierende Trümmer erinnerten. Damals schleuderte ihn die Wucht der Druckwelle meterweit gegen ein Feuerwehrahrzeug., die ihn meterweit gegen ein Fahrzeug. Er fasste die Stimmung der Helfer in einem Satz zusammen: „Wir hatten viel Glück“

Hintergrund:

Am Freitag, 26. September 1975, stürzte ein mittelschwerer amerikanischer Hubschrauber vom Typ Sikorsky CH-53C im Delbrücker Stadtteil Sudhagen ab. Dabei kamen vier Besatzungsmitglieder und weitere 12 amerikanische Soldaten ums Leben. Die Maschine von der 601st Tactical Support Squadron der amerikanischen Luftwaffe befand sich auf einem Flug von der amerikanischen Luftwaffenbasis Ramstein nach Hessisch-Oldendorf. Aus einer Höhe von rund 300 Metern stürzte der mehr als 12 Tonnen schwere Hubschrauber gegen 10.25 Uhr auf ein Feld des Hofes Kenkenberg in der Nähe der früheren Möbelfabrik Nolte. Der Hubschrauber explodierte beim Aufprall. Niemand an Bord überlebte den Absturz. Zunächst war spekuliert worden, ob niederländische Starfighter, die zur Absturzzeit im Raum Delbrück im Tiefflug unterwegs waren, an dem Absturz beteiligt waren. Das war jedoch nicht der Fall. Allerdings hatten die Piloten der Aufklärungsmaschinen den Absturz des Hubschraubers beobacht und machten später Luftaufnahmen der Absturzstelle.

„Morgens um 10.30 Uhr ging die Sirene. Als Schüler war ich mit dem Rad auf dem Obernheideweg unterwegs. In Richtung Tegethoff stieg eine schwarze Wolke auf. Neugierig, wie man als Schüler war, fuhr man hin, ein großes Trümmerfeld, alles rauchte“, erinnert sich der heute 62-jährige Meinolf Brökelmann. Sein Vater Alois, damals Schriftführer im Löschzug Westenholz, schrieb in der Chronik von „einem grauenhaften Einsatz“ und einem „Anblick, der nichts für schwache Nerven war“. Später stellte sich bei Untersuchungen der Trümmerteile durch amerikanische Techniker heraus, dass beide Triebwerke aufgrund von Vereisung ausgefallen waren, weil die Enteisungsanlage nicht eingeschaltet war. Auch die Autorotation war ausgeschaltet, so dass der antriebslose Hubschrauber wie ein Stein vom Himmel stürzte. Kurz vor dem Absturz hatten die Fluglotsen des britischen Militärflughafens Gütersloh der Maschine genehmigt, auf eine Flughöhe von 300 Metern zu sinken.

Feuerwehrleute aus Westenholz und Delbrück löschte die brennenden Trümmer und angrenzenden Büsche, die das Kerosin in Brand gesetzt hatte. Später deckte Feuerwehr die ausgeglühten Wrackteile mit einem Schaumteppich ab. Erst nach und nach wurden die verkohlten Leichen entdeckt und geborgen. Die Absturzstelle nahe der Schlinger Straße wurde weiträumig von der Polizei, der Bundeswehr und britischen Soldaten aus Sennelager abgeriegelt. Später trafen auch amerikanische Soldaten an der Unglücksstelle ein. Zehn Jahre nach dem Unglück wurde in Delbrück in der Nähe der Absturzstelle ein Gedenkstein enthüllt.

Bericht: Ralph Meyer VdF

 

Westfälisches Volksblatt

Bewegende Begegnung: Angehörige der Opfer treffen Feuerwehrleute Vor 48 Jahren stürzte bei Delbrück ein US-Militärhubschrauber ab Delbrück. Dieser Tag hat unser Leben verändert. Mein Vater ist morgens um 4 Uhr mit den Worten `Bis später´ aus dem Haus gegangen. Aber er ist nicht mehr zurückgekommen“, erinnert sich Linda Stewart mit zitternder Stimme an den 26. September 1975. Gemeinsam mit Bruder Michael Waldbillig nahmen erstmals Angehörige aus den USA die Absturzstelle in Augenschein und verweilten am Gedenkstein an der Rieger Straße bei Sudhagen. Außerdem trafen sie im Pfarrheim Sudhagen mit Feuerwehrleuten zusammen, die bei dem Einsatz vor 48 Jahren dabei waren. Auch Landwirt Kenkenberg, auf dessen Wiese der Hubschrauber stürzte, kam hinzu.

Es entwickelte sich ein bewegender Austausch, geprägt von gegenseitigem Respekt, aber auch Dankbarkeit für die damaligen Helfer. Linda Stewart war zum Zeitpunkt der dramatischen Ereignisse sechs Jahre alt und lebte mit ihren Eltern und zwei Brüdern am US-amerikanischen Luftwaffenstützpunkt Ramstein. Ihr Bruder Michael, damals elf und ein weiterer, inzwischen verstorbener, Bruder lebten dort. Nun besuchten sie, begleitet von ihren Ehepartnern Michelle Waldbillig und Henry Stewart erstmals den schicksalhaften Ort, an dem ihr Vater, Oberst Robert Waldbillig im Alter von 42 Jahren ums Leben kam. Vor einigen Monaten wurden sie durch den Internetblog „Westenholz – Gestern und heute“ von Meinolf Brökelmann auf die Gedenkstätte aufmerksam und nahmen Kontakt auf.

Am Abend gab es keine Hoffnung mehr. Um 14 Uhr habe seinerzeit die Familie von dem vermissten Hubschrauber und einem möglichen Absturz Kenntnis bekommen. Gegen 22 Uhr erhielten sie dann die schlimme Nachricht überbracht, dass ihr Vater bei einem Hubschrauberunglück ums Leben gekommen sei. „Ich vermisse meinen Vater jeden Tag“, ließ Michael Waldbillig tiefe Blicke in seine Seele zu. Heute ist er in Tuscon im US-Bundesstaat Arizona als Kfz-Händler tätig. Seine Schwester lebt im kalifornischen Atascadero und hat dort viele Jahre als Schulbibliothekarin gearbeitet. „Wir sind dankbar, dass in Sudhagen niemand verletzte wurde und vor allem, dass Sie versucht haben, Menschenleben zu retten“, ließ Linda Stewart durch Johannes Grothoff, Leiter der Delbrücker Feuerwehr, übersetzen und wandte sich direkt an die anwesenden acht Feuerwehrleute, die seinerzeit den Einsatz miterlebt hatten.

Als 14-jähriger Schüler hatte Johannes Grothoff aus dem Fenster der Schulräume den Absturz selber beobachtet. „Danke, dass Sie sich um das Denkmal kümmern. Das gibt uns die Gewissheit, dass es ein ehrendes Andenken an unseren Vater gibt“, wandte sich Linda Stewart direkt an Heinrich Kenkenberg, der den Gedenkstein zehn Jahre nach dem Absturz gestiftet hat und bis heute pflegt und betonte, dass der Besuch für sie nach 48 Jahren Abschied nehmen bedeute. Michael Waldbillig und Linda Stewart hatten viele Fragen an die Feuerwehrleute. „Wir hatten zunächst Sorge, dass sich das Feuer von den Sträuchern bis zum früheren Möbelwerk Nolte ausweiten könnte. Immer wieder floss Kerosin aus und sorgte für Explosionen. Wir waren froh, dass wir mit viel Schwerschaum die Unglücksstelle abdecken konnten“, so Franz-Josef Hartmann, zu jener Zeit Löschzugführer der Delbrücker Feuerwehr. Gemeinsam mit Westenholzer und Paderborner Feuerwehrkameraden kämpfte er gegen die Flammen. „Als gegen 10.30 Uhr die Sirene ging, war meine Tochter mit im Auto und ich brachte sie zu Verwandten“, erinnerte sich Franz-Josef Hartmann. Allerdings vergaß seine Tochter Ingrid, heutige Kämmerin der Stadt Delbrück, ihren Rucksack im Auto. „Sie konnte keine Hausaufgaben machen und hatte Sorge, dass die Lehrer schimpfen würden“, so Hartmann. Als Franz-Josef Hartmann auf der damals als Wiese genutzten Einsatzstelle eintraf, war Ferdinand Brockmeier schon vor Ort und bereitete einen Löschangriff vor. „Wir wussten zunächst gar nicht, was da brannte.

Erst nach und nach stellte sich heraus, dass das ein Hubschrauberabsturz war und sich so viele Opfer an der Unglücksstelle befanden“, zeichnete Ferdi Brockmeier den dramatischen Einsatz nach. Schon von seiner Arbeitsstelle aus hatte er die Rauchsäule gesehen und sich sofort zum Gerätehaus begeben. Er gehörte zu den ersten Feuerwehrleuten, die ausrückten, noch während die Sirenen heulten. Zunächst von brennendem Bauernhof ausgegangen Zunächst waren die Feuerwehrleute von einem brennenden Bauernhof ausgegangen. Erst bei den ersten Löschversuchen wurde den Feuerwehrleuten bei der Ansicht des Heckrotors klar, was da brannte. „Auch Aluminiumteile brannten. Ich versuchte, diese mit Wasser zu löschen, das war keine gute Idee. Es folgte eine Explosion, die mich über einige Wege zurück gegen das Feuerwehrauto schleuderte. Wir haben großes Glück gehabt, dass keine Feuerwehrleute verletzt wurden“, berichtete Ferdinand Brockmeier. Noch während der laufenden Löscharbeiten seien nach britischen Militärs, Feldjägern der Bundeswehr auch amerikanische Soldaten an der Unglücksstelle eingetroffen. „Meine neuen Heldenfreunde“, würdigte Michael Waldbillig den damaligen Einsatz der Feuerwehrleute. Das Treffen im Pfarrheim wurde von der Vorsitzenden des Heimatvereins Sudhagen, Brigitte Michaelis sowie von Josef Sandheinrich organisiert, der sich selber an den Tag des Absturzes erinnern konnte: „Ich war damals mit dem Schulbus auf dem Weg nach Hause. Die Schlinger Straße war großräumig gesperrt und der Bus musste umdrehen.“

Westfäliches Volksblatt von Axel Langer