13. Januar. Delbrück/Lwiw.

Sechs Feuerwehrfahrzeuge, Stromaggregate und Hilfsgüter in Lwiw übergeben. Polnischer Zoll macht Delbrückern beim Ukraine-Hilfstransport das Leben schwer.

 

Delbrück/Lwiw. Drei sehr anstrengende Tage liegen hinter den 20 Helfern der Delbrücker Ukraine-Hilfe, die sich mit dem sechsten Hilfskonvoi nach Lwiw in die Ukraine begeben haben. Mit zehn Fahrzeugen steuerten sie die rund 800.000 Einwohner zählende Stadt im Nordwesten der Ukraine an. Allerdings mussten sich die Helfer zunächst in viel Geduld bei der Einreise üben.

 
Die Feuerwehr von Lwiw hatte eine Rundfahrt durch die ukrainische Stadt organisiert und wollte den Helfern zeigen, wo die bislang nach Lwiw gebrachten Fahrzeuge stationiert sind. Doch es kam ganz anders. Ursache hierfür war der polnische Zoll, der sich einmal mehr als steter Quell neuer Vorschriften und geänderter Formulare erwies, schreibt Autor Axel Langer, der den Hilfstransport erneut begleitet hat. Neben knapp zehn Stunden Zeit hätten die Delbrücker auch reichlich Nerven, an nicht nachvollziehbaren Vorgaben des Zolls, gelassen. Umso herzlicher fiel der Empfang durch die Lwiwer Feuerwehr aus.
Nach einer Übernachtung im polnisch-ukrainischen Grenzgebiet in Radymno ging es am frühen Morgen die wenigen Kilometer zum Grenzübergang Korczowa-Krakowiec. Um 8.30 Uhr trafen die Delbrücker mit insgesamt sechs Feuerwehrfahrzeugen, darunter eine Drehleiter, zwei Großfahrzeuge, ein kleineres Löschfahrzeug sowie zwei Mannschaftstransportern hier ein. Außerdem begleiteten drei zivile Fahrzeuge den Konvoi. Ein Mannschaftstransporter des Löschzuges Delbrück blieb an der Unterkunft in Radymno stehen. Aktive Feuerwehrfahrzeuge dürfen EU-Gebiet nicht verlassen.
 
Geladen hatten die Fahrzeuge mehr als 30 Stromaggregate, ein Großaggregat, Schnellheizer, Kabeltrommeln, Rollstühle, Gehhilfen, medizinisches Material, Schlafsäcke, warme Decken und Jacken. Die Hilfsgüter sind für Lwiw, aber auch für Kiew bestimmt. Die Drehleiter wird in den nächsten Tagen von Feuerwehrleuten aus Butscha in Lwiw abgeholt und wird anschließend in dem Kiewer Vorort ihren Dienst versehen.
Nach stundenlangen Gesprächen und immer unterschiedlichen Auskünften im polnischen Zoll, stellte sich dann heraus, dass an diesem Grenzübergang nur die Fahrzeuge über 7,5 Tonnen abgefertigt würden. Sämtliche Fahrzeuge unter 7,5 Tonnen müssten den 30 Kilometer entfernten Grenzübergang Budomierz-Hraszow nutzen. Nach Auskunft eines polnischen Grenzers, sei diese Regelung seit Oktober 2022 in Kraft.
Den Hinweis, dass beim letzten Delbrücker Hilfstransport Ende Oktober das gleiche Fahrzeug mit dem gleichen Anhänger sowie der gleiche Sprinter an dem Übergang abgefertigt wurden, nahmen die Grenzer ungläubig zur Kenntnis. Sie verstummten, als die Delbrücker Helfer dies auch noch mit Fotos belegen konnten.
 
Eine Nachfrage der Grenzer bei ihrem Vorgesetzten ergab nur, dass sich inzwischen das  ukrainische Generalkonsulat aus Düsseldorf, der Bürgermeister von Paderborns Partnerstadt Przemyśl sowie das Büro des NRW-Landtagspräsident André Kuper an der Grenzstation gemeldet hätten. Sie hätten ihre eigenen Regeln und ließen sich auch von niemandem reinreden, lautete die lapidare und unmotivierte Antwort. Selbst den Toilettengang eines der Delbrücker Helfer versuchte ein Grenzer zu unterbinden.
 
Nach viele aufreibenden Gesprächen stand fest, die Fahrzeuge unter 7,5 Tonnen wurden nicht abgefertigt und mussten den 30 Kilometer langen Umweg in Kauf nehmen. Als dann in einer weiteren Abfertigungsreihe ein 15-Sitzer-Kleinbus mit Anhänger, der ebenfalls Hilfsgüter in die Ukraine brachte, abgefertigt wurde, war allen klar, das ist alles Schikane und die Delbrücker Helfer waren machtlos.
Nach fünfeinhalb Stunden hatten immerhin drei Großfahrzeuge den Grenzübertritt in die Ukraine geschafft und wurden vom stellvertretenden Feuerwehrkommandant von Lwiw, Vitalij Olsns, herzlich in Empfang genommen. Er geleitete den halben Konvoi zu einer Tankstelle rund zehn Kilometer hinter der Grenze und machte sich fassungslos ob der unzumutbaren Grenzkontrolle auf den Weg, die weiteren Konvoifahrzeuge abzuholen. Der polnische Zoll hatte versprochen, dass ein Grenzer die Fahrzeuge zum zweiten Grenzübergang begleitet und der Konvoi dort durchfahren können, da die Daten ja bereits erfasst waren. Allerdings hielten sich die polnischen Grenzer nicht ihre Versprechen. Die Abfertigung musste von vorne beginnen. Erst in der abendlichen Dunkelheit konnten die beiden Teile des Konvois gegen 18 Uhr zusammengeführt werden.
 
Schnell ging es nach Lwiw, da ab 23 Uhr in der Ukraine eine Ausgangssperre gilt. Sämtliche Hilfsgüter wurden an einem der Feuerwehrgerätehäuser abgeladen. Selbst das Sheptytsky-Hospital wurde aus Zeitgründen nicht angefahren. Sämtliche Hilfsgüter wurden mit Hilfe zahlreicher Lwiwer Feuerwehrleute entladen. Weitere Hilfsgüter vom Stromaggregat bis zum Rollstuhl wurden einer Hilfsorganisation aus Kiew übergeben und erste Aggregate binnen 24 Stunden weitergegeben.
 
Auch in der Region Lwiw verfügt inzwischen jeder Ortsteil über ein Wärmezelt. Hier kommen die Schnellheizer, die Stromaggregate sowie die Kabeltrommeln zum Einsatz. „Die Menschen können sich in den Zelten aufwärmen und über die Stromversorgung ihre Handys aufladen. Über verschiedene Handyapps werden die Menschen über Luftalarme informiert und im Bedarfsfall aufgefordert sich in Keller zu begeben“, erläutert Johannes Grothoff von der Delbrücker Ukraine-Hilfe den Hintergrund dieser Hilfslieferung. Er schätzt den Gegenwert der bislang durchgeführten Hilfslieferung auf deutlich mehr als 2,5 Millionen Euro.
 
Bei einem kurzen Abendessen unterstrich die Lwiwer Feuerwehrspitze, wie wichtig ihnen die Transporte aus dem Delbrücker Land seien und dass sie sich sehr respektiert fühlten. „Das ihr trotz der großen Probleme im polnischen Zoll eine solche Fahrt auf euch nehmt und euch immer wieder auf den Weg macht, das ist echte Freundschaft und kann gar nicht hoch genug gewürdigt werden“, zeigte sich auch Vitaliy Olsns vom Engagement der Delbrücker sichtlich beeindruckt. In den aktuellen Konvoi floss auch eine Spende von 5000 Euro der Salzkottener Bürgerstiftung.
Bereits in der vergangenen Woche waren 16 Sattelzüge mit 520 Paletten Desinfektionsmittel in die Ukraine gefahren. Andreas Meier aus Ostenland hatte den Transport der rund 260 Tonnen Desinfektionsmittel über ein befreundetes Logistikunternehmen eines Pharmazeutischen Unternehmens angestoßen. Für den März planen die Delbrücker einen erneuten Hilfskonvoi.
Westfälisches Volksblatt, von Axel Langer