12. Juni. Schönebeck.

»Danke, dass ihr da seid!«
Feuerwehrleute aus Ostwestfalen-Lippe retten Ortsteil von Schönebeck in Sachsen-Anhalt vorm Elbe-Hochwasser.{gallery}news/2013/130612krm{/gallery}

 

Schönebeck (WB). Mit Wäscheklammern hat ein Hausbesitzer das eilig geschriebene Plakat an seinem Zaun befestigt: »Danke, liebe Helfer.« Feuerwehrleute aus Ostwestfalen haben in der Nacht zum Dienstag den kleinen Ort Grünewalde an der Elbe vor der Überflutung bewahrt.

Von Christian Althoff

Grünewalde, ein Ortsteil von Schönebeck, liegt unmittelbar am Ostufer der Elbe in einer Senke: Schrebergärten, gepflegte ältere Einfamilienhäuser, eine kleine Neubausiedlung. »Montagabend klingelten die Leute von der DLRG bei uns und sagten, wir sollten uns in Sicherheit bringen, weil der Deich nicht mehr sicher wäre«, erzählt Maria-Louise Wittig. Der Elbe-Pegel stand hier auf 7,61 Metern, 59 Zentimeter höher als beim Jahrhunderthochwasser 2002. Doch die 64-Jährige wollte bleiben, auch wenn ein Monteur bereits am Tag zuvor im Keller den Heizungsbrenner ausgebaut hatte und es nun kein warmes Wasser mehr gab. »Ich bin in den ersten Stock gegangen, wo ich Essen und Töpfe mit Wasser gebunkert habe.« Als dann allerdings eine Autokolonne fliehender Menschen an ihrem Haus vorbeirollte, sei ihr mulmig geworden. »Da habe ich gedacht: Hoffentlich geht alles gut. Ich habe einfach den vielen Helfern vertraut.«

Mit Autos, zu Fuß und auf Fahrrädern verlassen am Montagabend viele Menschen den Ort. Einige tragen kleine Hunde auf dem Arm, andere ziehen Rollkoffer hinter sich her. Zu diesem Zeitpunkt hat der Kampf um den Deich längst begonnen. Axel Meier vom Landesamt für Hochwasserschutz: »Auf der Landseite verläuft am Fuß des Elbdeichs ein Weg. Der wurde vom Elbwasser durch den Deich hindurch hochgedrückt und drohte sich aufzulösen. Dann wäre der Deich wohl gebrochen.« Es galt, den Weg mit möglichst vielen Sandsäcken zu beschweren.

Schon den ganzen Tag über haben Bürger und Feuerwehrleute tausende von Säcken vollgeschaufelt, die jetzt mit Tiefladern, Privatautos und Feuerwehrwagen herangeschafft werden. Frauen, Männer, Jugendliche – ein ganzes Heer Freiwilliger wartet an der Abladestelle, um die Sandsäcke mit Schubkarren über die Deichkrone an den Einsatzort zu fahren. Dort lassen die Helfer die Säcke über Planen zum Fuß des Deichs rutschen, wo Feuerwehrleute sie sorgfältig aufschichten. Patrick Uhlmann aus Versmold: »Wir sind seit Sonntag Nachmittag im Einsatz und haben schon einen anderen Deich repariert. Nach zwei Stunden Schlaf ging's hier weiter.«

650 Feuerwehrleute aus Ostwestfalen-Lippe helfen in Schönebeck. Sie haben ihre Feldbetten in der Grundschule aufgebaut, aber die meisten sind in dieser Nacht am Elbedeich eingesetzt. Stunde um Stunde schuften die Männer und Frauen und wuchten die bis zu 18 Kilogramm schweren Jutesäcke an die richtigen Stellen. Die Sonne ist längst untergegangen, das Technische Hilfswerk leuchtet den Deich aus. Mücken greifen die Helfer an, Flaschen mit Autan werden herumgereicht. Immer wieder kommt es auf der schmalen Deichkrone zu Zusammenstößen von Schubkarren, aber es fällt nicht ein böses Wort. »Alle sind total motiviert«, sagt Rudolf Reiling, Beamter der Kreisleitstelle Paderborn. »Das liegt auch an der grenzenlosen Dankbarkeit, mit der uns die Menschen hier begegnen.«

Dort, wo die Sandsäcke von Lastwagen in Schubkarren umgepackt werden, können die Helfer essen und trinken. Zwar kümmern sich die Johanniter, das Rote Kreuz und die DLRG mit ihren Feldküchen um die Verpflegung, doch die Grünewalder wollen ihre Dankbarkeit zeigen. Sie bringen Kannen mit Kaffee, Äpfel, belegte Brötchen und Heißwürstchen. Und wenn sie ihre Tupperdosen abstellen, fällt immer wieder dieser Satz: »Danke, dass ihr da seid!«

Es ist Dienstag gegen 1.00 Uhr morgens, als ein Mitarbeiter des Hochwasserschutzamts nach einem Kontrollgang über den Deich den Einsatz der erschöpften Helfer beendet. »Die Säcke liegen prima, mehr könnt ihr nicht tun. Hoffen wir das Beste.«

Westfälisches Volksblatt